Die  Zusammenarbeit  mit  gehörlosen  und  hörbeeinträchtigten  Eltern  sowie Kindern  und  der  Einsatz  der deutschen  Gebärdensprache



Das Familienzentrum Sternschnuppe liegt im Norden Recklinghausens – mitten im Ruhrgebiet. Träger ist die Stadt Recklinghausen. Die Einrichtung besteht seit 1995.
In den beiden Kindergarten-Gruppen (3-6 Jahre) befinden sich jeweils bis zu 25 Kinder. In den beiden Krippen-Gruppen (bis 3 Jahre) jeweils 10 Kinder. Aktuell besuchen 70 Kinder die Einrichtung.
Im Familienzentrum arbeiten 14 pädagogische Fachkräfte (davon eine als Integrationskraft für Kinder mit besonderem Förderbedarf) und eine Hauswirtschaftskraft. Zusätzlich sind regelmäßig Schülerpraktikanten/innen von weiterführenden Schulen und Praktikanten/innen in der Erzieherausbildung in der Einrichtung tätig.
Besondere Schwerpunkte sind die musikalische Früherziehung, die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung, der Einsatz von Gebärden sowie die Zusammenarbeit mit gehörlosen Eltern und Kindern.

Von der Babyzeichensprache zur DGS

Aufmerksam auf die Zwergensprache (Babyzeichensprache) wurden wir im August 2009.
Eine Familie, die wir aufgenommen hatten, hatte einen Zwergensprache- Babykurs besucht und wandte die Babyzeichen bei ihrem Kind an. Im Gegensatz zu anderen gleichaltrigen Kindern konnte sich dieses Kind (1;1 Jahre alt) den Erwachsenen durch Zeichen mitteilen.
Die anderen Kinder begannen schnell, die Babyzeichen nachzuahmen. Im Austausch mit den Eltern lernten die Erzieherinnen einige Zeichen und wandten diese testweise im Alltag an. Die Kinder fanden schnell Freude an den Zeichen, sodass wir uns dazu entschieden, die Babyzeichen fest in unsere Arbeit mit Kindern unter drei Jahren zu integrieren. Im Rahmen eines Elternabends wurden den Eltern die Zwergensprache und die Idee dahinter vorgestellt. 2011 nahmen alle Erzieherinnen der Krippengruppe an einer Weiterbildung „Babyzeichen – Mit Babys kommunizieren bevor sie sprechen können“ teil.
Die Handzeichen der Zwergensprache basieren auf der deutschen Gebärdensprache, sodass es hier für uns bereits die ersten Berührungspunkte zur DGS gab.

Die ersten gehörlosen Eltern wurden auf uns aufmerksam, weil sie von der Zwergensprache in unserem Haus gehört hatten. Zeitweise begleiteten wir drei Familien mit einem oder zwei gehörlosen Elternteilen, sodass die Kommunikation mit Handzeichen einen großen Stellenwert für uns bekam. Die ersten beiden Mitarbeiterinnen baten darum, einen Gebärdensprachkurs besuchen zu können und wir hatten das Glück, dass nicht nur innerhalb unseres Teams die Idee getragen wurde, sondern auch der Träger der Einrichtung, der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt Recklinghausen, den Sinn und die Möglichkeiten darin erkannte und die Kurse finanzierte.
Mittlerweile haben mehrere Mitarbeiterinnen einen Gebärdensprachkurs besucht und können das Erlernte für Tür- und Angelgespräche und den täglichen Austausch anwenden.
In der Zusammenarbeit mit  gehörlosen Eltern lernten wir, dass die geringen Möglichkeiten der Kommunikation vielfältige Schwierigkeiten mit sich bringen und das sich die Gesellschaft wenig auf „nichthörende“ Menschen eingestellt hat. Hörende Eltern gehen selbstverständlich zu jedem Elternabend der ihnen zusagt, tauschen sich bei der Elternversammlung untereinander aus, telefonieren kurz miteinander, um die Verabredungen ihrer Kinder zu organisieren, engagieren sich im Elternbeirat oder im Förderverein und nehmen an deren Sitzungen teil, um nur einige Beispiele aus dem Kindergartenalltag zu nennen.
Auf diesem Hintergrund haben wir uns dazu entschlossen, zumindest einige dieser Erschwernisse aufzugreifen und die Teilhabe für gehörlose Eltern am Kindergartenleben in einigen Bereichen zu verbessern und zu erleichtern.

Erweiterung unserer Arbeit

Die neu gewonnene Zusammenarbeit mit gehörlosen Eltern brachte einige Herausforderungen und Notwendigkeiten mit sich.
Dank des Fachbereiches Kinder, Jugend und Familie erhielten wir die Möglichkeit, den Einsatz von Gebärdensprach-Dolmetschern in der Einrichtung zu finanzieren.
Angefangen bei den Anmeldegesprächen, über Entwicklungsgespräche, bis hin zu Kennenlernnachmittagen können wir, in einem gewissen Rahmen, Dolmetscher einladen und die Kommunikation zwischen Erzieherinnen, hörenden und gehörlosen Eltern unterstützen.
Zusätzlich vereinfachen auch die DGS-Kenntnisse der Mitarbeiterinnen nun den täglichen Austausch mit den gehörlosen Eltern über die Kinder und deren Bedürfnisse und das Gruppengeschehen – so wie bei allen anderen Eltern auch.
Für die Kinder in den Krippen-Gruppen ist das Kommunizieren mit den Händen durch die Babyzeichensprache Teil des Alltages geworden. In den Gruppen der Drei- bis Sechs-Jährigen werden bewusst einzelne Gebärden in das Tagesgeschehen integriert. Auch in der musikalischen Früherziehung tauchen immer wieder Gebärden auf, indem Kinderlieder durch diese begleitet werden.
Einmal wöchentlich findet für die Vorschulkinder ein Gebärdenkurs in der Einrichtung statt.

Sichtweisen

Durch die Zusammenarbeit mit gehörlosen Eltern haben sich die Sichtweisen geändert und Einfluss auf die pädagogische Arbeit genommen. Durch die Auseinandersetzung mit der Gehörlosenkultur sind wir in der Lage, Hemmschwellen gegenüber den gehörlosen Eltern abzubauen, versuchen uns bestmöglich auf gehörlose Menschen einzustellen und die Einschränkungen durch die andere Sprache zu minimieren. Aus diesem Grund haben wir die Begleitung durch Gebärdendolmetscher zu Elternabenden, im Bedarfsfall, integriert.
In Bring- und Abholsituationen versuchen Eltern, sich untereinander durch Gestik, Handy oder Papier und Stift zu verständigen. In Einzelfällen unterstützen wir durch die Kenntnisse in DGS.
Durch diese verbesserte Kommunikation und die Transparenz entwickelte sich Offenheit bei Eltern und Kindern und Berührungsängste konnten abgebaut werden.
Als zertifiziertes Familienzentrum NRW gilt unser Angebot nicht nur für Eltern unserer Einrichtung, sondern kann auch von anderen Eltern aus dem Stadtteil und aus dem gesamten Stadtgebiet genutzt werden. Aus diesem Grund werden pädagogische Elternabende und andere Veranstaltungen in der örtlichen Presse, auf unserer Homepage, über den E-Mail Verteiler, über das Gehörlosenzentrum Recklinghausen sowie ggf. auf der Internetseite des Taubenschlages bekannt gegeben.
Durch diese breitgefächerten Ankündigungen habe auch  gehörlose Eltern und Großeltern aus Nachbarstädten, mangels Alternative an Veranstaltungen mit Dolmetscher,in der Vergangenheit bereits an unseren Veranstaltungen / Angeboten teilgenommen.
Auch gehörlose oder hörgeschädigte Praktikant_innen haben schon den Weg zu uns in die Einrichtung gefunden und ihr Praktikum hier absolviert.

Ausblick

Wir freuen uns, in Zukunft mehr Familien mit gehörlosen Elternteilen und/oder gehörlosen Kindern in der Kita begleiten zu dürfen.
Langfristig können wir uns vorstellen, Teil des Netzwerkes und Anlaufstelle für gehörlose Menschen mit Kindern zu werden.
In Kooperation mit weiterführenden Schulen und Fachschulen sind wir auch Ausbildungsstätte und würden uns freuen, häufiger gehörlosen SchülerInnen in unserem Haus Praktika anbieten zu können.
Unser Wunsch für die Zukunft ist es, dieses besondere Angebot und Erzieherin mit DGS-Kenntnissen weiterhin anbieten zu können und die Teilhabe und Inklusion gehörloser und hörbeeinträchtigter Menschen weiter zu verbessern und Barrieren abzubauen.

 

 

 

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